Der Tod einer Institution in München

Im Dezember 2022 erschütterte eine Nachricht das Nachtleben der Dunklen Szene in München:

“Schweren Herzens müssen wir Euch leider mitteilen, dass das Nerodom spätestens zum 31.03.2023 seinen Betrieb einstellen muss. Trotz intensiver Verhandlungen gab es leider keine Übereinkunft zu den neuen Konditionen mit dem neuen Vermieter. Wir sind unendlich traurig, dass nach seinem fast 20-jährigem Bestehen euer zweites Wohnzimmer und einziger rein schwarzer Club Süddeutschlands, das Nerodom für immer seine Pforten schließen muss. Ein schwacher Trost bleibt noch. Die Nerodom-Streams auf twitch.tv/nerodom werden wir weiter anbieten um Euch wenigstens virtuell den Raum zum austauschen und Musik genießen erhalten zu können.”
Euer Frank und das Nero-Team

Der virale Empörungssturm war unglaublich. Die Reaktionen der Szene und Menschen, welche das NERODOM als IHR Zentrum betrachteten, reichten von erschüttert bis empört. Ich war einfach nur sprachlos. Durch den Lockdown und mein Zurückziehen von sozialen Treffen, klingt das jetzt eventuell für einige heuchlerisch. Aber an diesem Ort habe ich die herzlichsten Erinnerungen, in Verbindung mit Frank und seinen Mannen und Frauen, die unglaublichsten Gäste und einfach die Atmosphäre in der Location.

Ja klar, wer ist noch nicht die dämliche Treppe runtergestolpert, nüchtern hin oder her. Wer hat sich nicht bei den “All you can bite”-Events die Wampe so vollgeschlagen, dass man mindestens 3 Tage nix mehr futtern musste (schon gar keine Spaghetti). Wer hat dort nicht die Nächte durchgetanzt zu guter Mucke und der absoluten Dunkelheit in den Ecken, wo man seine privaten Sachen liegen lassen konnte und sicher sein konnte, das niemand da dran gehen würde.

Wie viele Absacker hab ich mit Mikes dort getrunken, genauso wie ich in meiner abstinenten Zeit meinen Pfeffi-Tee oder wahlweise Kaffee bekommen habe. Wie oft bin ich mehr beim Quasseln als beim Tanzen hängengeblieben. Und es waren unglaubliche Gespräche mit mir bis dahin wildfremden Leuten. (Susi, du bist Klasse!).

Unvergesslich der Moment, wo ich im Damenklo mit meinem Korsett gekämpft habe (meine Innereien fanden die aktuelle Schnürung inakzeptabel). Dann kam eine junge Dame hinein und mit markanter Stimme und Kennerblick stellte Sie fest: “Schätzelein, das ist Scheisse! Dreh dich mal um, ich mach das.” Selten wurde ein Korsett so fachmännisch entwirrt und perfekt sitzend wiederhergestellt. Meine Leber dankt der Retter:in bis heute.

Erinnert ihr euch an die Pizza-Heißhunger-Attacken nach den Tanzeinheiten? Und auch dies wurde fast mütterlich von der Küchencrew geheilt.

DAS ist was eine Location ausmacht: das Gefühl willkommen, geschätzt und gesehen zu werden. SEIN Wohnzimmer mit Live-Music, nacktfüßigen Folk-Elfen auf der Tanzfläche, Gothic-Chic und Herz zu füllen. Und dann früh’s mal langsam drüber nachzudenken, wie man nach Hause kommt. Obwohl man eigentlich bleiben wollte.

Und auch die Raucher haben eine kleine Sonderbehandlung bekommen, kuschelige Decken für draußen und kein giftiges “Seid leise” Zischen vom Türsteher. Wobei diese immer megafreundlich und tiefenentspannt waren – bis auf die Wiesn Zeit. Dann wurden einigen Versuchen der Eindringlinge standhaftest widerstanden und höflich auf andere Locations verwiesen. In meinen ganzen Jahren dort, habe ich nie erlebt, das es Streitereien oder ähnliches dort gab. Soviel social competence von Menschen kann schon manchmal erschreckend sein, bis einem einfällt – wir Nachtgezücht müssen zusammen halten.

Umso mehr würde es mich und alle Freunde der Nacht freuen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, das Ruder rumzureißen oder eine neue Heimat zu finden.

Frank: DU BIST GROßARTIG. Ohne dich wäre das Nerodom nie das geworden, was es ist – ein Sirius am Nachthimmel der Szene. Ich danke dir und deinem Team für unvergeßliche Stunden, unendliche viele Umarmungen und zuviele Schnäpsle. Und jetzt heule ich grad auf meine Tastatur.