Behind the Spotlight – Menschen hinter der Musik – 03/24

Diese Interviewreihe wird ein Licht auf die Menschen werfen, welche sich freiwillig in die Massen stürzen um gute Shoots zu liefern, Stunden Ihrer Zeit damit verbringen die Musiker zu unterstützen, und das meistens kostenlos. Oder wie in diesem Fall, Menschen und Ideen zusammenbringen.

Musiker & Autor – Gordon McMichael

mit freundlicher Genehmigung von @Roland Lorenz Photography

Wenn es heutzutage noch Brieffreundschaften gibt – dann habe ich das als Mailversion mit Gordon. Wir haben seit Jahren Kontakt und tatsächlich sind wir uns noch nie begegnet (ja, Zeit wird’s). Was ich faszinierend an ihm finde, sind seine Gedankengänge und die Umsetzung derselbigen zu Büchern. Gefangen zwischen Emotionen und ganz vielen Fragen bleibe ich nach dem Lesen ebenjener zurück. Heute setzen wir ein paar der Fragen in Szene. Danke im Voraus.

Intro

Magst du bitte ein paar Worte über dich verlieren?

Gerne. Ich muss mich aber, besonders was die Anfänge betrifft, auf Aussagen von Zeitzeugen berufen. Die Legende besagt nämlich, dass ich an einem strahlend sonnigen Ostermontag das Licht der Welt erblickte und ab diesem Moment nichts mehr so war wie zuvor. Ich war, Aussagen zufolge, das schönste Kind das man sich nur vorstellen kann. Nicht nur vor Ort im Krankenhaus, in Wien oder in Österreich. Nein, auf dem gesamten Erdball. Toll, oder? Fairerweise sollte ich aber vielleicht erwähnen, dass ich die „Legende“ im wirklichen Leben „Mama“ nenne. Es kann also sein, dass die Einschätzung meine Person betreffend, etwas … wie soll ich sagen … voreingenommen, befangen, parteiisch und nicht bis ins letzte Detail objektiv ist. Andererseits: wer bin ich, dass ich die Schilderungen meiner Mutter öffentlich in Frage stelle? Dass ich ausgerechnet die Frau, der ich so viel zu verdanken habe, kritisiere?

Wie waren deine erste Schritte auf dem Weg der Musik und ist der gelbe Backsteinweg immer gerade gewesen?

Ich sitze als kleiner Bub, in unserer kleinen Küche auf einem kleinen „Schammerl“ (wienerisch für „Hocker“) und trommle auf einem größeren Schammerl. Lange. Sehr lange. Oder ich singe mit dem Radio. Vornehmlich Wienerlieder die mein Vater hörte. Von manchen kann ich heute noch den Text. Mit zwölf hat mich dann die Rockmusik erwischt. Mit voller Wucht. Mit fünfzehn bin ich bei der ersten Band eingestiegen. Von da an wurde so ziemlich alles was nicht mit Musik zu tun hatte untergeordnet. Wir probten viermal die Woche und versuchten in späteren Jahren Literatur mit Musik zu verknüpfen. Das war in den 80ern. Tucholsky-Texte mit Rock. Sehr ambitioniert. Anfang der Neunziger wechselte ich dann zu „King Size“, eine „Street Rock“ Band aus Niederösterreich. Mit denen habe ich viel live gespielt und auch ein Album und eine EP aufgenommen. Danach gings zu „Stiletto“. Ebenfalls viele Gigs, ebenfalls ein Album. Nebenbei gründeten wir, aus Spaß, noch eine Coverband. Die war am Schluss dann schon erfolgreicher als die eigentliche Hauptband. Die Sets mischten sich und wir spielten immer wieder die gleichen Gigs. Hier ein Festival, da eine kleine Hütte, dort ein Bikertreffen. Irgendwann machte das keinen Spaß mehr und ich wollte auch keine Bon Jovi Nummern mehr covern. Also stieg ich aus und widmete mich anderen Dingen. Ich hatte dann noch ein paar Angebote, habe aber alle abgelehnt. Erst viele Jahre später habe ich dann einen Songwriter unterstützt, der seine Nummern auf Band um arrangieren wollte. Mit dem gab es auch ein Album. Das war aber nur ein kurzes Gastspiel.

Wie schafft man es, Musik, Family und das Leben an sich unter einen Hut zu bringen?

Wenn man etwas unbedingt will, dann findet man einen Weg. Und … lassen wir die Kirche im Dorf. Wir reden hier immer noch von Österreich. Das ist nicht so wie bei irgendwelchen kleinen Ami-Bands, die das ganze Jahr im eigenen Land auf Tour sind und 300 Gigs spielen. Wir kamen auf zwanzig bis vierzig Gigs pro Jahr.

Zur Arbeit

Wird es nochmal ein Album von dir geben? Und mit wem würdest du gerne daran zusammen kollaborieren?

Ich bin alt genug um zu wissen, dass man niemals „Nie“ sagen soll. Erst vor kurzem haben ich bei „Ecliptica“ ausgeholfen und zwei Gigs mit ihnen gespielt. War lustig. Sonst … es gibt immer wieder Leute mit den ich gerne etwas gemeinsam machen möchte. Gerade durch Reading Rock ergeben sich da ganz neue Bekanntschaften und Möglichkeiten. Es gibt aber eine Regel: ich möchte nur mehr mit Menschen zusammenarbeiten die ich mag, die mir sympathisch sind und die die ganze Sache ähnlich entspannt sehen wie ich selbst. Mit selbstverliebten Deppen, seien sie auch noch so talentiert, gebe ich mich nicht ab und irgendwelches „pseudokommerzielles“ Geschwafel geht mir auch am Arsch vorbei. Für so etwas habe ich keine Zeit. Ich gehe einem regulären Job nach, um mein Leben zu finanzieren. Somit bin ich, was das künstlerische betrifft, frei und kann tun was ich will.

Dein 1.Buch “Live In Front Of An Imaginary Audience” – tatsächliche Geschichten oder ausgeschmückt? (jessas, das ist 2021 erschienen – musste ich tatsächlich nachschlagen: HIER)

Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Eine fiktive Band geht auf eine fiktive Welttournee. That’s it. Natürlich gibt es Momente, die ich in ähnlicher Form irgendwann selbst erlebt und dann in abgeänderter, verzerrter Form in die Geschichte integriert habe. Aber der Löwenanteil ist ausgedacht. Eines meiner Hauptziele war unterschiedliche, interessante Figuren zu erschaffen die nicht nur gemeinsam etwas erleben, sondern auch miteinander kommunizieren. So wie‘s halt ist in einer Band. Und ja, der Schmäh war mir auch wichtig. (Anm.d.Red. Und das ist dir auch gelungen. Ich war quasi immer mit der Band dabei, also beim Lesen.)

Und dann kam “Die Braut und der Akkordeonspieler” 2023 raus. Woher kommen nur alle die Ideen?

Gute Frage. Weiß ich auch nicht so genau. Manchmal ist eine Grundidee einfach da und sehr oft entwickelt sich diese beim Schreiben weiter. Genaues Beobachten und Zuhören, bei dem was rund um einen geschieht, hilft auch. Bei der „Braut“ war der Zugang aber ein ganz ein anderer als beim ersten Buch. Ich wollte keine lang erzählte Geschichte. Eine Idee, ein Impuls und bumm – scho is aufg’schriebn. Ein gutes Beispiel hierfür sind vielleicht die „Berufe die man besser nicht ergreifen sollte.“ Einfach einmal ein Wort wie „Bildhauer“ auch wirklich wörtlich nehmen. Daraus kann man dann schon einiges formen. Oder die Bedeutung des Wortes „Marillenknödel“ erklären, indem man es in seine Silben zerlegt und dann draufkommt, dass damit mitnichten nur eine Süßspeise gemeint ist. Nein, es erzählt auch den tragischen Amoklauf von Norbert Sprenger, der schlussendlich auch noch zum Mörder wurde. Mein liebstes Kind in diesem Buch ist aber wahrscheinlich die „Poseidon Oktologie“. Auch wenn sie für Kopfschütteln sorgt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Spaß ich da beim Schreiben hatte. (Anm.d.Red.: Genau! An dem sind meine Synapsen kläglich verknotet worden.)

Dein Hang zu Wort-Akrobatik und Verklausulierungen gepaart mit Wiener Schmäh haut mich immer wieder weg. (ich höre dich beim Lesen) Wer liest das Korrektur und hat diese Person schon evtl. Schäden davon getragen?

„Du hörst mich beim Lesen?“ Wow! Was für ein schönes Kompliment! Dafür bedanke ich mich extra! Zum „drüberlesen“ habe ich mich bei beiden Büchern an die liebe Claudia Jusits gewannt (selbst Autorin, mit dabei im neuen Reading Rock Buch und Herausgeberin des „StarkStrom!“ Magazins). Ich habe sie erst vor kurzem gesehen. Es scheint ihr gut zu gehen.

Wer leitete die Geburt der “Reading Rock” Reihe ein?

Das waren der Andi Appel und ich als wir feststellten, dass wir uns zwar schon lange kennen, künstlerisch aber noch nie gemeinsam tätig waren. Ich schlug vor, wir sollten uns auf ein Packl hauen und gemeinsame Lesungen veranstalten. Beide wollten wir Literatur und Musik verbinden. Er hat dann als Schmäh den Titel „Reading Rock“ vorgeschlagen (in Anlehnung an das berühmte Festival). Ich war, ich glaube zu seinem Erstaunen, sofort begeistert. Wir haben dann ein paar Musiker und Autoren aus unserem Bekanntenkreis angesprochen ob sie interessiert wären mit uns aufzutreten und alle haben sofort zugesagt. Eigentlich einfach und unspektakulär. Aber genauso war’s.

Gibt es eine geheime Liste zwischen dir und Andi, welche Autoren & Musiker noch bei euch auftreten sollen? Oder bewirbt man sich einfach bei euch?

Eine Liste gibt es nicht. Aber es gibt noch genug interessante Künstler mit denen wir gerne etwas machen würden. Ein großer Wunsch war, auch einige Autorinnen zu finden. Das haben wir mit dem neuen Buch und der zweiten Reading Rock Gala geschafft.

Zur zweiten Frage: ich mag das Wort „bewerben“ nicht. Das klingt so … i was ned. Musiker und Autoren können aber gerne über unsere Facebook-Seite www.facebook.com/ReadingRockAustria mit uns Kontakt aufnehmen. Dann red ma, schau ma ob wir z’sammpassen, …

Was ist schwieriger: Songs zu schreiben und performen / Bücher zu texten und vor Publikum zu lesen?

Beides nicht schwer. Ich finde, der kreative Akt beim Schreiben, egal ob Musik oder Text, ist etwas ganz, ganz schönes und ein applaudierendes, jubelndes oder lachendes Publikum kann schon auch ein bissl süchtig machen. Erst letztens bei der RR Gala habe ich mich nach dem Soundcheck mit den Burschen von „The Inner Me“ (www.facebook.com/theinnermemusic) unterhalten warum wir in unserem fortgeschrittenen Alter noch immer spielen, schreiben oder auf die Bühne hupfen . Der einhellige Tenor war: „weil‘s einfach leiwand is“! Ich glaube, die „Zirkuspferd“ Theorie stimmt. Irgendwas treibt uns an weiterzumachen. Übrigens: hört euch einmal deren letztes Album an.

Fragen aus Neugier

Wird es ein nächstes Buch geben?

Schau ma amoi. Das jetzige ist erst seit ein paar Tagen am Markt. Wenn das gut ankommt …Ich bin aber grundsätzlich guten Mutes.

Könntest du dir vorstellen die “Reading Rock”-Reihe auch in Deutschland zu touren? Mit hiesigen Autoren und Musikern?

Natürlich! Das haben wir sogar vor. Dafür bräuchten wir aber noch ein paar Kontakte. (Anm.d.Red.: Also liebe Leser:innen – los gehts und schreibt los.)

Wenn man selber schreibt, ist es dann nicht fad, ellenlange Interviewbögen auszufüllen? Möchtest du dich nicht selber hinsetzen und ein Interview mit dir selbst führen? Und welche Fragen, würdest du dir dann selber stellen?

  1. Nein, überhaupt nicht.
  2. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich glaube, dass wäre eher fad, weil ich die Antworten auf die von mir gestellten Fragen an mich schon kenne. Vielleicht täusche ich mich aber auch. Heast, du bringst mich auf Ideen. Weist was, irgendwann probiere ich das aus und lasse dich wissen wie es ausgegangen ist. (Anm.d.Red: Aber sowas von gern geschehen.)
  3. Ich habe, ganz ehrlich, keine Ahnung.

Was hat sich für dich am gravierensten in den letzten Jahren in der Veranstaltungsbranche / Musikwelt verändert? Sind die guten “alten” Zeiten der Ausgeherei zu ende? Verenden wir alle vereinsamt hinter Streamingdiensten?

Oh … da hat sich ganz viel verändert. Die Musikbranche, in der ich immerhin 26 Jahre tätig war, existiert schlicht und ergreifend nicht mehr. Bei euch in Deutschland ist es noch ein bissl besser. Die Frage ist: wie lange?

Die Zeiten der großartigen „Ausgeherei“ sind bei mir aber deshalb auf ein Minimum reduziert, weil ich mittlerweile bequemer bin als früher und nicht mehr unbedingt bei jedem Konzert dabei sein muss. Ich wähle sorgfältiger aus. Außerdem bin ich nicht bereit 3-stellige Beträge für Bands zu bezahlen, die ich in besserer Form eh schon fünfmal gesehen habe. Ich ziehe es vor, kleinere Konzerte zu besuchen. Möglichkeiten gibt es ja genug.

Was „Streaming“ betrifft – pffft. Ich möchte jetzt nicht wie ein alter Sack klingen und früher war auch nicht alles besser. Aber Plattformen wie „Spotify“ benutze ich einfach nicht. Ich habe eine ziemlich große Plattensammlung und kaufe nach wie vor Vinyls und CD’s. Gleich in der Nähe von mir betreibt ein alter Bekannter von mir ein ganz tolles Plattengeschäft. Wenn du da reinkommst ist es wie früher. Musikfreaks diskutieren über Musik, jeder grüßt jeden. Oft redest du mit Leuten die du eigentlich gar nicht kennst. Das gefällt mir.

Ich suche (und finde) aber auch auf YouTube immer wieder obskure Undergroundbands. Das ist echt spannend und erinnert ein wenig an alte Tapetradingzeiten. Nur halt ohne Post und viel schneller. Irgendeine Band die neunzehnhundert-bla- blah-blah irgendwo in, was weiß ich, „Council Bluffs/Iowa“ eine wirklich leiwande Platte in fünfhunderter Auflage veröffentlicht und vierzehn Gigs gespielt hat. Normalerweise würdest du die nie hören. Die moderne Technik macht’s möglich. Das gefällt mir auch.

Vielen Dank lieber Gordon und bis demnächst online oder endlich mal in Natura.

Die Bücher sind erhältlich unter: https://www.facebook.com/gordonmcmichael1 / www.resonance.at

mit freundlicher Genehmigung @Peter Hinsmann

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